Letze Woche habe ich im Kino den neuen Bond, Skyfall, gesehen. Im Vorfeld hatte ich
schon einiges darüber gelesen, zum Beispiel die SZ-Kritik und eine positive
Einschätzung bei der Frau Kaltmamsell. Auch die Wertung bei der IMDB spricht
für sich, wo rein vom Rating her die Betitlung „bester Bond alles Zeiten“ schon
mal zutrifft.
Auch muss ich sagen, dass ich mit der Bond-Reihe eine Menge
schöner Jugenderinnerungen (Wohnzimmer meiner Eltern, Jumbo-Tüte Erdnussflips,
langes Aufbleiben-Dürfen, Begeisterung meines Dads ob der völlig übertriebenen,
aber vergnüglichen Verfolgungsjagden) verbinde und mir eigentlich auch jeden
neueren Film der Reihe im Kino angesehen habe.
Jetzt ist es natürlich so, dass eine Bewertung und Analyse
der James-Bond-Filme aus feministischer Perspektiver naturgemäß, hm, schwierig
ist. Denn auch wenn ich selbst die alten Teile der Reihe aus nostalgischen
Gründen genießen kann, schlägt hier doch der heterosexistische Holzhammer zu,
angefangen von der Darstellung der „Bond-Girls“ bis hin zu Bonds Inszenierung
als hypermaskuliner Super-Macho. Zwar sind die Ladies schon seit den neunziger
Jahren taffer und auch emanzipierter, als das noch in den früheren Filmen der
Fall war, und seit Bond von Daniel Craig verkörpert wird ist insgesamt eine
neue Ernsthaftigkeit der Figur festzustellen, aber problematisch sind einige
Aspekte natürlich nach wie vor.
Genau aus diesem Grund hat mich Skyfall an vielen Stellen überrascht und an manchen begeistert .
[*SPOILERWARNUNG* So, hier geht’s jetzt los. Ich werde zwar
im Folgenden keine elementaren Handlungsdetails verraten, aber doch auf einige
Aspekte und Momente des Films eingehen, von denen alle, die Skyfall noch nicht gesehen haben, sich
vielleicht überraschen lassen möchten.]
Der gesamte Film ist für einen „Bond“ ja schon einmal extrem
realistisch, düster und, mir fällt momentan kein besserer Begriff ein, modern.
Es geht einmal nicht darum, wie in 99 Prozent der Streifen, die gesamte Welt
vor der Vernichtung durch einen Superschurken zu retten, sondern um eine viel
persönlichere Geschichte. Und trotz der diversen – gelungenen – Gags, in denen
sich die Reihe teilweise selbstironisch zitiert, ist die gesamte Story doch
eher ernst und in vielen Momenten auch tragisch. Und einige Aspekte sind mir
regelrecht ins Auge gesprungen, weil sie für mich so unerwartet wie
ungewöhnlich für einen James-Bond-Film waren.
Bond, himself
Bond verabschiedet sich hier so deutlich wie nie zuvor von
der oben genannten Idee des ultra-maskulinen, „Ich-kann-alles-und-ich-kann-immer“-Super-„Mannes“.
Nach seinem (vermeintlichen) Tod am Anfang der Handlung kommt er zurück als angeschlagener und
alternder Agent, der seine besten Zeiten hinter sich hat. Keine
Top-Performances mehr, eigentlich nicht mehr geeignet für den Job, den er zu
erledigen hat, und mit zittrigen Händen am Abzug. Zwar läuft er am Ende als
Held wieder zur beinahe alten Topform auf, aber das Ziel, das er sich gesetzt hat,
kann er nicht erreichen und muss mit seinem Scheitern leben. Für mich wandelt
sich Bond in diesem Film von einem Abziehbild hyperviriler Männlichkeit zu
einer Figur mit Charakter.
The Boss
Dass M, die Chef_in des MI 6, in den neueren Teilen des
Franchise von einer Frau verkörpert wird, fand ich ja schon immer klasse. Auch
sie erhält in diesem Film mehr Persönlichkeit und wird für die Zuschauer_in
greifbarer. And we’re talking about a really tough woman here! In ihren
Entscheidungen ist sie knallhart, sie steht zu ihnen und sucht nicht nach
Ausflüchten und Rechtfertigungen. Sie lässt es nicht zu, dass man ihr in ihren
Job hineinzureden und sie in den Ruhestand hinauszukomplimentieren versucht.
Sie schützt Bond und lässt gleichzeitig keinen Zweifel aufkommen, dass sie
(auch) ihn opfern würde. Ganz sicher ist ihr Verhalten nicht immer sympathisch,
aber es ist selbstbestimmter und weniger klischeehaft als das, was
Frauenfiguren in den meisten Blockbustern tun dürfen.
Moneypenny 2.0
Kommen wir gleich zur nächsten Frauenfigur. Eve, tada,
Moneypenny. In den alten Bonds ist Moneypenny die Sekretärin von M, die nicht
viel anderes tut, als Bond anzuschmachten und davon zu träumen, dass er doch
auch endlich einmal sie verführen könnte (was natürlich ein ewiger Traum
bleibt). In Skyfall ist Moneypenny
die junge Agentin, die den vermeintlich tödlichen Schuss auf Bond abgibt.
Danach knistert es zwar durchaus zwischen ihr und Bond, aber sie gibt ihm
ordentlich kontra. Einmal rettet sie ihn im letzten Moment. Er lässt sie zwar
mit dem Rasiermesser an seine Kehle, sie ihn aber nicht ran. Am Ende
entscheidet sie sich, dass sie keine Lust mehr auf Außendienst hat und wird Ms
Assistentin. Nun, ich finde, im direkten Vergleich ist hier eine durchaus positive Veränderung der Rolle zu sehen.
A female gaze
Die Inszenierung von Körpern folgt in den Bond-Filmen ja
immer einem ähnlichen Muster. Bond sieht schick aus im Anzug, und ab und zu
darf er auch mal seine definierten Muskeln zeigen. Der sexuell aufgeladene
Blick liegt aber ausnahmslos auf den „Bond-Girls“, die mehr oder weniger nackt,
mehr oder weniger lasziv ins Szene gesetzt werden, und zwar meist, bevor und/oder
nachdem Bond sie verführt hat. Um ganz kurz in die
feministisch-psychoanalytische Filmtheorie abzudriften: Der Blick ist immer der
männliche, das (sexuelle) Objekt ist natürlich weiblich (male gaze vs. female object).
Und dann kam Skyfall. Ich möchte
gleich vorweg nehmen, dass ich es für keine Lösung oder
feministisch-emanzipatorisch gewinnbringende Idee halte, die Rollen einfach zu
vertauschen und in Zukunft stets Männer als Sexsymbole zu inszenieren. Aber
dass es ausgerechnet im Jubiläums-Bond geschieht: I like it! Man sieht keine
einzige nackte Frau. Natürlich werden Moneypenny und Sévérin nach gängigen
Vorstellungen als erotisch und sexy dargestellt (bei letzterer sieht man auch
einmal die nackte Schulterpartie in der Dusche), aber der Körper, der von
primärem Interesse ist, gehört Bond. Im Schwimmbad, in der Rasierszene, stets
bleibt der Blick der Zuschauer_in an ihm hängen, ist er das Objekt erotischen
Interesses. Nicht das, was Bond und mit ihm der (nach der heterosexuellen
Logik) männliche Zuschauer begehrt, sondern Bond selbst wird als begehrenswert
inszeniert.
Bond, transgressing?
Und damit komme ich auch zum letzten Punkt und meinem
persönlichen Highlight. Ich hatte schon im Vorfeld gehört, dass es eine Szene
gibt, in der sich der Bad Guy Silva
durchaus explizit sexuell an Bond heranmacht. Und dass es schön sei, dass sich
das Drehbuch an dieser Stelle nicht in die Homophobie flüchtet. Ja, das ist
schön. Es ist allerdings noch viel, viel besser, raffinierter, festgefahrene
Klischees überschreitender, als ich erwarte hätte. Es gibt der Paradefigur heterosexueller
Männlichkeit in der Popkultur einen Twist, der – hier lehne ich mich mal etwas
aus dem Fenster – noch vor 15 Jahren undenkbar gewesen wäre. Und fast noch
schöner fand ich, dass diese Szene im Saal mit lautstarker Begeisterung
aufgenommen wurde.
Es bleibt viel zu tun, in der Gesellschaft wie in der
Popkultur, aber es gibt diese Momente, wo frau aus dem Kino kommt und sich
denkt: Things are looking up!
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