Sonntag, 2. Dezember 2012

Skyfall – warum nicht alles gut, aber vieles besser ist



Letze Woche habe ich im Kino den neuen Bond, Skyfall, gesehen. Im Vorfeld hatte ich schon einiges darüber gelesen, zum Beispiel die SZ-Kritik und eine positive Einschätzung bei der Frau Kaltmamsell. Auch die Wertung bei der IMDB spricht für sich, wo rein vom Rating her die Betitlung „bester Bond alles Zeiten“ schon mal zutrifft.
Auch muss ich sagen, dass ich mit der Bond-Reihe eine Menge schöner Jugenderinnerungen (Wohnzimmer meiner Eltern, Jumbo-Tüte Erdnussflips, langes Aufbleiben-Dürfen, Begeisterung meines Dads ob der völlig übertriebenen, aber vergnüglichen Verfolgungsjagden) verbinde und mir eigentlich auch jeden neueren Film der Reihe im Kino angesehen habe.

Jetzt ist es natürlich so, dass eine Bewertung und Analyse der James-Bond-Filme aus feministischer Perspektiver naturgemäß, hm, schwierig ist. Denn auch wenn ich selbst die alten Teile der Reihe aus nostalgischen Gründen genießen kann, schlägt hier doch der heterosexistische Holzhammer zu, angefangen von der Darstellung der „Bond-Girls“ bis hin zu Bonds Inszenierung als hypermaskuliner Super-Macho. Zwar sind die Ladies schon seit den neunziger Jahren taffer und auch emanzipierter, als das noch in den früheren Filmen der Fall war, und seit Bond von Daniel Craig verkörpert wird ist insgesamt eine neue Ernsthaftigkeit der Figur festzustellen, aber problematisch sind einige Aspekte natürlich nach wie vor.

Genau aus diesem Grund hat mich Skyfall an vielen Stellen überrascht und an manchen begeistert .
[*SPOILERWARNUNG* So, hier geht’s jetzt los. Ich werde zwar im Folgenden keine elementaren Handlungsdetails verraten, aber doch auf einige Aspekte und Momente des Films eingehen, von denen alle, die Skyfall noch nicht gesehen haben, sich vielleicht überraschen lassen möchten.]
Der gesamte Film ist für einen „Bond“ ja schon einmal extrem realistisch, düster und, mir fällt momentan kein besserer Begriff ein, modern. Es geht einmal nicht darum, wie in 99 Prozent der Streifen, die gesamte Welt vor der Vernichtung durch einen Superschurken zu retten, sondern um eine viel persönlichere Geschichte. Und trotz der diversen – gelungenen – Gags, in denen sich die Reihe teilweise selbstironisch zitiert, ist die gesamte Story doch eher ernst und in vielen Momenten auch tragisch. Und einige Aspekte sind mir regelrecht ins Auge gesprungen, weil sie für mich so unerwartet wie ungewöhnlich für einen James-Bond-Film waren.

Bond, himself

Bond verabschiedet sich hier so deutlich wie nie zuvor von der oben genannten Idee des ultra-maskulinen, „Ich-kann-alles-und-ich-kann-immer“-Super-„Mannes“. Nach seinem (vermeintlichen) Tod am Anfang der Handlung  kommt er zurück als angeschlagener und alternder Agent, der seine besten Zeiten hinter sich hat. Keine Top-Performances mehr, eigentlich nicht mehr geeignet für den Job, den er zu erledigen hat, und mit zittrigen Händen am Abzug. Zwar läuft er am Ende als Held wieder zur beinahe alten Topform auf, aber das Ziel, das er sich gesetzt hat, kann er nicht erreichen und muss mit seinem Scheitern leben. Für mich wandelt sich Bond in diesem Film von einem Abziehbild hyperviriler Männlichkeit zu einer Figur mit Charakter.


The Boss

Dass M, die Chef_in des MI 6, in den neueren Teilen des Franchise von einer Frau verkörpert wird, fand ich ja schon immer klasse. Auch sie erhält in diesem Film mehr Persönlichkeit und wird für die Zuschauer_in greifbarer. And we’re talking about a really tough woman here! In ihren Entscheidungen ist sie knallhart, sie steht zu ihnen und sucht nicht nach Ausflüchten und Rechtfertigungen. Sie lässt es nicht zu, dass man ihr in ihren Job hineinzureden und sie in den Ruhestand hinauszukomplimentieren versucht. Sie schützt Bond und lässt gleichzeitig keinen Zweifel aufkommen, dass sie (auch) ihn opfern würde. Ganz sicher ist ihr Verhalten nicht immer sympathisch, aber es ist selbstbestimmter und weniger klischeehaft als das, was Frauenfiguren in den meisten Blockbustern tun dürfen.

Moneypenny 2.0

Kommen wir gleich zur nächsten Frauenfigur. Eve, tada, Moneypenny. In den alten Bonds ist Moneypenny die Sekretärin von M, die nicht viel anderes tut, als Bond anzuschmachten und davon zu träumen, dass er doch auch endlich einmal sie verführen könnte (was natürlich ein ewiger Traum bleibt). In Skyfall ist Moneypenny die junge Agentin, die den vermeintlich tödlichen Schuss auf Bond abgibt. Danach knistert es zwar durchaus zwischen ihr und Bond, aber sie gibt ihm ordentlich kontra. Einmal rettet sie ihn im letzten Moment. Er lässt sie zwar mit dem Rasiermesser an seine Kehle, sie ihn aber nicht ran. Am Ende entscheidet sie sich, dass sie keine Lust mehr auf Außendienst hat und wird Ms Assistentin. Nun, ich finde, im direkten Vergleich ist hier eine durchaus positive Veränderung der Rolle zu sehen.

A female gaze

Die Inszenierung von Körpern folgt in den Bond-Filmen ja immer einem ähnlichen Muster. Bond sieht schick aus im Anzug, und ab und zu darf er auch mal seine definierten Muskeln zeigen. Der sexuell aufgeladene Blick liegt aber ausnahmslos auf den „Bond-Girls“, die mehr oder weniger nackt, mehr oder weniger lasziv ins Szene gesetzt werden, und zwar meist, bevor und/oder nachdem Bond sie verführt hat. Um ganz kurz in die feministisch-psychoanalytische Filmtheorie abzudriften: Der Blick ist immer der männliche, das (sexuelle) Objekt ist natürlich weiblich (male gaze vs. female object). Und dann kam Skyfall. Ich möchte gleich vorweg nehmen, dass ich es für keine Lösung oder feministisch-emanzipatorisch gewinnbringende Idee halte, die Rollen einfach zu vertauschen und in Zukunft stets Männer als Sexsymbole zu inszenieren. Aber dass es ausgerechnet im Jubiläums-Bond geschieht: I like it! Man sieht keine einzige nackte Frau. Natürlich werden Moneypenny und Sévérin nach gängigen Vorstellungen als erotisch und sexy dargestellt (bei letzterer sieht man auch einmal die nackte Schulterpartie in der Dusche), aber der Körper, der von primärem Interesse ist, gehört Bond. Im Schwimmbad, in der Rasierszene, stets bleibt der Blick der Zuschauer_in an ihm hängen, ist er das Objekt erotischen Interesses. Nicht das, was Bond und mit ihm der (nach der heterosexuellen Logik) männliche Zuschauer begehrt, sondern Bond selbst wird als begehrenswert inszeniert.

Bond, transgressing?

Und damit komme ich auch zum letzten Punkt und meinem persönlichen Highlight. Ich hatte schon im Vorfeld gehört, dass es eine Szene gibt, in der sich der Bad Guy Silva durchaus explizit sexuell an Bond heranmacht. Und dass es schön sei, dass sich das Drehbuch an dieser Stelle nicht in die Homophobie flüchtet. Ja, das ist schön. Es ist allerdings noch viel, viel besser, raffinierter, festgefahrene Klischees überschreitender, als ich erwarte hätte. Es gibt der Paradefigur heterosexueller Männlichkeit in der Popkultur einen Twist, der – hier lehne ich mich mal etwas aus dem Fenster – noch vor 15 Jahren undenkbar gewesen wäre. Und fast noch schöner fand ich, dass diese Szene im Saal mit lautstarker Begeisterung aufgenommen wurde.

Es bleibt viel zu tun, in der Gesellschaft wie in der Popkultur, aber es gibt diese Momente, wo frau aus dem Kino kommt und sich denkt: Things are looking up!

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